
Neuhausen will sein Image aufpolieren, aber wie? Interview der SN mit LoF*
Im Gespräch mit den Schaffhauser Nachrichten ging es um Identität, Orientierung und die Kraft einer gemeinsamen Geschichte. Neuhausen verändert sich – räumlich und strukturell. Was (noch) fehlt: eine Haltung, die verbindet. Ein Narrativ, das trägt.
Zwischen RIVI, SIG-Areal und Zentrum braucht es mehr als bauliche Entwicklung. Es braucht Beteiligung. Denn echte Identität entsteht von innen nach aussen – nicht durch Kampagnen, sondern durch Dialog.
Den Artikel von Saskia Baumgartner (SN, 24. Juni 2025) geben wir hier wieder:
Neuhausen hat in der Region ein schlechtes Image, findet der Gemeinderat. Das soll geändert werden. Wie kann das klappen? Die SN haben zwei Experten aus der Brandingbranche befragt: die gebürtigen Schaffhauser Christoph Eschmann und Roger Staub von der Agentur «LoF* – Leap of Faith».
Die Rekordhochhäuser Neuhausens sind kilometerweit aus der Ferne sichtbar. Sie befinden sich auf dem «Rhyfall Village» (RIVI). Das 2024 eröffnete neue Wohn- und Geschäftsquartier soll auch ein Touristenmagnet werden, noch ist das aber nicht der Fall. Auch im Neuhauser Ortszentrum hat sich baulich zuletzt einiges verändert. Die vielen Neuzuzüger sind jedoch wenig zu spüren.
Neuhausen befindet sich im Wandel. Davon soll die Region erfahren, findet der Gemeinderat. Die SN haben bei den Experten für Markenentwicklung und Markeninszenierung, Roger Staub und Christoph Eschmann, nachgefragt, wie sie vorgehen würden. Sie führen die Zürcher Agentur «LoF* – Leap of Faith AG», stammen aber ursprünglich aus der Region Schaffhausen und haben hier mehrere Mandate.
Herr Staub, Herr Eschmann, Sie sind in Thayngen und Barzheim aufgewachsen. Wie haben Sie Neuhausen in Ihrer Jugend wahrgenommen?
Roger Staub: Neuhausen hatte früher die coolsten Kinos mit dem Central und dem Cinévox. Aber für uns Schaffhauser ist ja leider oft bereits der Weg von der Kammgarn ins Cardinal zu weit (lacht). Neuhausen lag daher abseits des Ausgangs-Perimeters und hat in meiner Jugend keine grosse Rolle gespielt. Christoph Eschmann: Für mich war Neuhausen schon damals nicht ganz fassbar als Ort, aber ja, durchaus mit Attraktionen wie das von Roger erwähnte coole Kino Cinévox – das brachte etwas Grosse-weite-Welt-Feeling nach Schaffhausen!
«Neuhausen hat Highlights, coole Angebote. Die Frage ist, ob das auch wahrgenommen wird?» – Roger Staub
Welches Image hat Neuhausen heute? In den letzten Jahren hat sich die Gemeinde stark verändert, durch die Wandlung der früheren Industrieareale, neue Hochhäuser und ein rasches Bevölkerungswachstum.
Eschmann: Ich glaube, Neuhausen hat auch heute noch ein eher diffuses Image, trotz viel Neuem. Veränderungen sind sichtbar, aber sie werden noch nicht als zusammenhängende Entwicklung erlebt. Es ist eher ein «Durchgangsort» an der Grenze als ein Ort mit eigener Identität. Innerhalb der Region wird Neuhausen häufig mit seiner industriellen Vergangenheit und dem Rheinfall assoziiert – das bringt sowohl Potenzial als auch Ballast.
Staub: Neuhausen ist spannend. Das SIG-Areal hat ein wahnsinnig grosses Entwicklungspotenzial. Das Panorama-Restaurant im Hochhaus auf dem RIVI bietet eine bombastische Aussicht auf den Rheinfall. Neuhausen hat Highlights, coole Angebote. Die Frage ist, ob das auch wahrgenommen wird? Lockt es die Leute aus der Region an?

Auf dem ehemaligen Industrieareal Rhy-Tech ist ein neues Quartier «Rhyfall Village» (RIVI) entstanden, inklusive der höchsten Wohnhochhäuser des Kantons. Bild: Roberta Fele
Sie deuten an, dass dem nicht so ist. Was fehlt?
Eschmann: Es gibt neue Orte und Impulse, aber keine klare Orientierung. Wandel allein schafft noch keine Identität. Eine fassbare Identität ist jedoch entscheidend – für einen Ort genauso wie für eine Marke. Und genau diese Marke «Neuhausen» ist bisher nicht wirklich greifbar.
Ist es ein Problem, dass es in Neuhausen mehrere Zentren gibt – das Kirchacker-Areal, das RIVI und das SIG-Areal?
Eschmann: Jeder Ort kann für sich eine Bedeutung haben. Das kann auch eine Chance sein. Aber wenn an jedem Ort etwas anderes erzählt wird, löst sich das gegenseitig auf. Darum braucht es den gemeinsamen Nenner, eine verbindende Geschichte, die sich gut vermitteln lässt.
«Zum x-ten Mal den Rheinfall mit schönen Drohnenaufnahmen zu filmen, löst das Problem eher nicht.» – Roger Staub
Der Gemeinderat hat das Problem erkannt und möchte das Image Neuhausens in der Region aufpolieren. Viel investiert werden soll jedoch nicht. Gemeindepräsident Felix Tenger sprach im Einwohnerrat von einem Videoclip und Ausgaben in Höhe von einigen Tausend Franken. Kann man damit etwas bewirken?
Staub: Ein Videoclip kann helfen, die Vision von Neuhausen aufzuzeigen. Aber wahrscheinlich sind noch ein paar weitere Massnahmen nötig, um das Image nachhaltig zu verbessern. Zuerst müssen die Vision und die Strategie geklärt werden. Zum x-ten Mal den Rheinfall mit schönen Drohnenaufnahmen zu filmen, löst das Problem wohl eher nicht.
«Aus unserer Erfahrung muss es einen partizipativen Prozess geben. Die Neuhauserinnen und Neuhauser müssen mitgenommen werden.» – Roger Staub
Was wäre der erste Schritt, den die Gemeinde nun unternehmen müsste?
Staub: Aus unserer Erfahrung muss es einen partizipativen Prozess geben. Die Neuhauserinnen und Neuhauser müssen mitgenommen werden. Und zwar nicht als Zielgruppe, sondern als Mitgestaltende eines Narrativs, das den Ort künftig prägt.
Eschmann: Man muss die Menschen auf eine Reise mitnehmen. Diese muss moderiert werden. Und am Ende sollte man nicht versuchen, den ganzen Blumenstrauss an Ideen gut zu verpacken, sondern ein bis zwei Haupt-Messages transportieren.
Welche Messages kommen Ihnen spontan für Neuhausen in den Sinn?
Staub: Naja, das ist eigentlich unser Business, solche Messages zu entwickeln … daher möchte ich nicht zu viel verraten. Aber als spontane Idee könnte man ja mit dem Namen Neuhausen im Sinne des Wortes Neues Haus – also neue innovative Formen des Lebens und Zusammenlebens – inhaltlich schon einiges klären.
«Identität entsteht von innen nach aussen.» – Christoph Eschmann
Sie sagten gerade, dass zunächst die eigene Bevölkerung ins Boot geholt werden muss, bevor man mit einer Botschaft nach aussen geht.
Eschmann: Unbedingt. Identität entsteht von innen nach aussen. Rein auf äussere Strahlkraft konzentriertes Standortmarketing sehen wir als wenig nachhaltig. Wir brauchen zuerst einen inspirierenden gemeinsamen Nenner, das beginnt mit der lokalen Bevölkerung, dem Gewerbe, den Akteurinnen und Akteuren vor Ort. Dem wird in solchen Prozessen häufig zu wenig Beachtung geschenkt. Die Chance von Neuhausen liegt darin, diese neue Geschichte gemeinsam zu entwickeln, mit echten Beteiligungsprozessen. Dann entsteht nicht nur ein Image, sondern Identifikation.

Neuhausen fehlt eine klare Orientierung, sagt Christoph Eschmann. Bild: Melanie Duchene
Das klingt nach einem längeren Prozess und grösseren Investitionen.
Eschmann: Das kommt darauf an, wie man den Prozess aufgleist und definiert, das kann auch pragmatisch erfolgen. Wirklich teuer wird es, wenn Massnahmen realisiert werden, bevor klar ist, was das strategische Ziel dieser ausmacht.
Staub: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ein solcher Prozess muss nicht zwingend lange und teuer sein, solange der Wille zu einer konstruktiven Veränderung bei den Beteiligten vorhanden ist. Das zeigt unsere Erfahrung.
Sie haben demnächst auch einen Termin mit der Gemeinde Neuhausen. Geht es dabei um Ihre Erfahrung mit dem Standortmarketing in der Stadt Schaffhausen?
Staub: Ja, es geht um einen ersten Erfahrungsaustausch. Zusammen mit Lukas Ottiger (dem City Manager, Anm. der Redaktion) planen wir ein kurzes Inputreferat mit unseren Erfahrungen aus zwei Jahren City Management Schaffhausen.
«In einer Transformationsphase kann ein City Manager durchaus sinnvoll sein – aber nicht im ersten Schritt, sondern im zweiten.» – Roger Staub
Würde ein City Manager auch in Neuhausen Sinn machen?
Staub: In einer Transformationsphase kann ein City Manager durchaus sinnvoll sein – aber nicht im ersten Schritt, sondern im zweiten. Zuerst braucht es eine klare Strategie und Vision. Diese definiert, wofür Neuhausen stehen will, wie sich die verschiedenen Räume und Areale wie das SIG-Areal, das RIVI und das Zentrum verbinden lassen. Und welche Rollen die verschiedenen Akteure übernehmen. Erst dann kann ein City Manager einen Mehrwert schaffen – für das Zentrum, für die Zusammenarbeit mit dem Gewerbe, für die Kommunikation und die Bespielung von Räumen.
Welche Geschichte, beziehungsweise Message hat eigentlich die Stadt Schaffhausen?
Eschmann: Die Stadt Schaffhausen hat eine geschichtsträchtige Altstadt mit hoher Aufenthaltsqualität. Schaffhausen hat eine Zentrumsfunktion und alleine deshalb schon eine komplett andere Ausgangslage als Neuhausen.
Staub: Inzwischen ist man mit dem Zug ja innerhalb von 35 Minuten von Zürich in Schaffhausen. Trotzdem haben die Zürcher immer noch das Gefühl, dass es eher zwei Stunden dauert. Sie wissen gar nicht genau, wo Schaffhausen liegt, vielleicht irgendwo hinter Winterthur? Es dauert erstaunlich lange, dieses Image – Schaffhauser als jene «äne am Rhy» – wegzubekommen. Vielleicht klappt es auch nie. Es wird vermutlich auch für Neuhausen eine Herausforderung werden.
«Neuhausen hat Ecken und Kanten, das ist das Spannende.» – Christoph Eschmann
Aktuell wirbt Neuhausen auf der Homepage mit dem Slogan «die freundliche Gemeinde» für sich. Überzeugt Sie das?
Staub: Das impliziert, dass alle anderen Gemeinden unfreundlich sind. Ich glaube, das ist als Claim zu schwach.
Eschmann: Es ist auch eine zu grosse Abweichung von der optischen Erscheinung. Neuhausen wirkt nicht freundlich, und das meine ich gar nicht negativ. Neuhausen hat Ecken und Kanten, das ist das Spannende.
Quelle: Interview mit LoF* – Leap of Faith AG in den Schaffhauser Nachrichten vom 24. Juni 2025